Cumae – Grotte der Weissagung

Cumae, eine antike Stadt in der Nähe des modernen Neapel in Italien, war eine der ältesten griechischen Kolonien in Italien und spielte eine bedeutende Rolle im kulturellen Austausch zwischen Griechenland und Italien. Die Stadt wurde laut Legende im 8. Jahrhundert v. Chr. von Siedlern aus der griechischen Stadt Chalkis auf der Insel Euböa gegründet. Eine der berühmtesten Orakelstätten der Antike lag dort tief in einer Höhle, die den markant geformten Küstenfelsen hinunterführte.

Die Cumae-Grotte, auch als “Antro della Sibilla” bekannt, wurde als heilige Stätte verehrt, an der die Sibylle, eine Prophetin der antiken Welt, göttliche Offenbarungen empfing und Prophezeiungen verkündete, an welche sämtliche Menschen, ob Könige oder Bauern, glaubten. Die Grotte galt als Eingang zur Unterwelt und war der Legende nach mit geheimnisvollen Kräften und übernatürlichen Energien verbunden.

Das Orakel von Cumae

Wie das Orakel von Delphi in Griechenland war auch das Orakel von Cumae ein Zentrum der Weissagung und göttlichen Inspiration. Die Sibylle, eine Priesterin oder Prophetin, die als Medium für die Götter diente, empfing Besucher in der Grotte und vermittelte zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Götter.

Besucher aus ganz Italien und darüber hinaus strömten nach Cumae, um den Rat der Sibylle zu suchen und Einblicke in die Zukunft zu erhalten. Die Prophezeiungen der Sibylle waren oft kryptisch und rätselhaft und mussten von den Fragenden interpretiert werden, aber sie genossen dennoch ein hohes Ansehen und wurden von vielen als göttliche Weisheit betrachtet.

Bis ins 20. Jahrhundert dachte man, die Orakelstätte sei bloß eine geistige Erfindung, doch in den 1920er Jahren nahmen Archäologen Ausgrabungen im Bereich des Apollon-Tempels von Cumae vor. Dabei stießen sie auf unterirdische Gänge: Genau an diesem Ort befand sich im 6. Jahrhundert v. Chr. das Orakel. Durch einen 131 Meter langen Stollen mussten die Ratsuchenden hinabsteigen, um die berühmte Sibylle in ihrer Grotte zu sehen. Wie es die Geschichte von Aeneas beschreibt, tauchten sie dabei in eine mystische Welt ein. Der Ruhm des Orakels war enorm. Aus ganz Italien und Griechenland strömten Menschen herbei, um Rat zu suchen und die Zukunft zu sehen.

Die Sibyllen

Die seherischen Traditionen des Altertums haben eine lange Geschichte. Das griechische Wort »Prophet« bedeutet, für jemand anderen zu sprechen. Der Seher sprach direkt für einen Gott, er verkündete dessen Willen. Über 20 Orakelstätte gab es in der Welt des antiken Griechenlands, in denen Sibyllen und Propheten ihren heiligen Dienst versahen. Durch unterschiedliche Techniken versetzten sich die Seher in einen rauschhaften Zustand. Manchmal wurden vulkanische Gase, die aus Erdspalten austraten, inhaliert und für die Trance genutzt, ein anderes Mal atmete man berauschende Lorbeerdämpfe ein.

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Geheime-Verschluss-Sache

Einen besonderen Ruf genoss die Sibylle von Cumae, da ihre Vorhersagen über Jahrhunderte im Voraus eine erstaunliche Richtigkeit aufwiesen. Offenbar trafen ihre Angaben so exakt ein, dass sie der letzte König Roms, Tarquinius Superbus, für eine hohe Geldsumme kaufte und sie zum Staatsgeheimnis erklärte. Zur Zeit der römischen Republik (500 v. bis 30 v. Chr.) durften nur 15 auserwählte Männer, die durch den Senat von Rom bestimmt waren, die Sibyllinischen Schicksalsbücher lesen. Aufbewahrt wurden sie in einem Steintrog unter den Fundamenten des Jupitertempels auf dem Kapitolhügel in Rom, wo sie Tag und Nacht streng bewacht wurden. Nur in besonderen Notlagen wie Krieg, Hungersnöten, Seuchen, schrecklichen Naturereignissen und – warum auch immer – beim Auftauchen eines androgynen Menschen, wurden sie hervorgeholt. Ein Missbrauch wurde mit dem sofortigen Tod bestraft. Der Inhalt der Bücher muss demnach von immenser Wichtigkeit gewesen sein.

Leider fielen sie im Jahre 83 n. Chr. einem Brand zum Opfer. Die Römer reisten bis nach Libyen, Sizilien und Griechenland, um Kopien zu ergattern und als Staatsschatz zurück in das prophetische Zentrum ihrer eigenen Republik zu bringen. Würden die Bücher heute noch existieren, könnte man ihren Inhalt mit der historischen Geschichte abgleichen und so in Erfahrung bringen, ob das »In die Zukunft blicken« tatsächlich möglich war.

Heute sind die Überreste von Cumae und ihrer berühmten Höhle noch vorhanden und ziehen Besucher aus der ganzen Welt an, die die Geheimnisse der antiken Vergangenheit erkunden möchten. Die Höhle von Cumae bleibt ein faszinierendes Zeugnis der menschlichen Sehnsucht nach spiritueller Führung und göttlicher Weisheit und erinnert uns daran, dass die Suche nach Wissen und Erleuchtung zeitlos ist.